Datei öffnen, Farben hinzufügen, Transparenz reduzieren, Datei speichern. Auch für ungeübte Grafiker dauert es kaum länger als drei Minuten, die Regenbogenflagge über ein Logo zu legen. Mehr Regenbögen, mehr Diversity? Im Pride Month ein ungeschriebenes Mantra der sozialen Netzwerke.
Aber verbirgt sich unter dem Regenbogen wirklich ein Schatz in Form von Toleranz und Vielfalt? Oder lediglich eine farbenfrohe, aber inhaltslose Truhe – außen hui, innen pfui? Wir lassen den Pride Month Revue passieren.
Krawalle in der Christopher Street
Ein Sommermonat im Zeichen von Vielfalt, Toleranz und Support für die LGBTQIA+-Community. Was viele nicht wissen: Die Geschichte des Pride Month ist schon über 50 Jahre alt. Im Sommer 1966 wurde ein altes Lokal in New York zu dem Ort in der Stadt, wo sich LGBTQIA+-Anhänger befreit von Zwängen und Intoleranz zum Feiern treffen konnten. Die Location? Christopher Street, Nummer 53. Zum Ärger aller Besucher kam es häufig zu gewaltbehafteten Razzien und Krawallen im „Stonewall Inn“, sodass sich als Reaktion auf die Polizeigewalt Proteste und Demonstrationen formierten. In Anlehnung an diese Diversity-Märsche feiern wir heute den Christopher Street Day (kurz: CSD). Und weil die Festivitäten zum CSD verteilt über den Monat Juni stattfinden, wird dieser heute zum Pride Month erklärt.
Lasset es Regenbögen regnen!
Schon seit den 70er Jahren gilt der Regenbogen als Zeichen für Diversität und Vielfalt. Im heutigen Social Media Kosmos wird das Symbol verwendet, um Unterstützung für die LGBTQIA+-Community zu signalisieren – und das lassen sich viele Unternehmen nicht zweimal sagen.
Wer schnell war, hatte schon zum 01.06. das bunte Logo parat. Manche Unternehmen sprangen erst Mitte oder Ende des Monats auf den Diversity-Zug auf. Auf sozialen Netzwerken wie LinkedIn sind die bunten Farben allgegenwärtig, so war es schon fast außergewöhnlich, ein unverändertes Logo zu sehen. De facto: Alle sind supportive, alle machen mit. Besonders im Retail Bereich ist das farbenfrohe Wetterphänomen allgegenwertig. PUMA hat sich Cara Delevigne für eine Pride-Collection geschnappt, auf den Rücken der bekannten North Face-Shirts erleuchtet das Logo in bunten Farben. Auch der Fast Fashion scheint Pride ein Anliegen zu sein – Primark zelebriert eine „Feeling Proud“-Kampagne und auch bei Boohoo kann man mit knapp 30 Euro zum stolzen Besitzer eines kompletten Pride-Sets werden.
Einige Unternehmen spenden das Geld ihrer Pride-Verkäufe – H&M beispielsweise 10% des Verkaufspreises ihrer Regenbogen-Produkte, IKEA sogar 40%.
Ist doch nett, oder?
Viele Unternehmen, insbesondere die bereits erwähnten Fast Fashion Konzerne, werfen mit Hashtags und Flaggen um sich. Ob die Erlöse ihrer Kollektionen LGBTQIA+-Organisationen zugute kommen, oder ob sich nur die Aktionäre ins Fäustchen lachen, ist oft intransparent. Das Problem um den Regenbogen geht allerdings noch viel tiefer: Viele Unternehmen haben weder Vielfalt noch Toleranz in ihrer so angepriesenen Philosophie verankert.
Dieses Phänomen nennt sich „Rainbow-Washing“ und ist vergleichbar mit den Marketing-Strategien „Pink Washing“ (Instrumentalisierung von LGBTQIA+-Themen um negativer Aufmerksamkeit zu bekämpfen) oder „Green Washing“ (Irreführende und Beschönigende Darstellung bezüglich der Nachhaltigkeit von Produkten und/oder Unternehmen). Besonders zu kämpfen haben die großen Autokonzerne gegen Anschuldigungen von Rainbow Washing. „We live diversity“ schreibt beispielsweise Volkswagen und lässt das Firmenlogo in Regenbogenfarben erstrahlen. Außer in Dubai, Saudi Arabien und Middle East. Hier bliebt das Logo unverändert. Farbe bekennen und Toleranz versprechen – aber nur in Ländern, in denen kein Risiko besteht, anzuecken? Für so manch einen Social Media Nutzer hinterlässt das einen bitteren Beigeschmack.
LOVE WINS schreibt der US-amerikanische Großhändler Walmart und fährt zum Pride-Month eine stattliche Regenbogen-Kollektion auf. Auf Instagram posiert eine junge Frau mit stylischer Sonnenbrille mit dem Walmart-eigenen Pride-Filter. Ganz nett eigentlich, oder? Nicht so nett ist allerdings, dass Walmart über 58 Tausend Dollar in die Unterstützung eines Anti-Trans-Gesetzes investiert hat.
Wie kann Pride auf Social Media zukünftig aussehen?
Trotz aller negativen Assoziationen ist es per se nicht falsch, Vielfaltsbestrebungen nach außen sichtbar zu machen. Wer allerdings Regenbögen, grüne Banner oder Black Lives Matter-Support kommuniziert, ohne sich außerhalb der Social Media Bubble für diese Themen einzusetzen, nimmt Glaubwürdigkeitsverluste und Shitstorms in Kauf.
Logisch, Diversity muss in der Unternehmenskultur fest verankert sein. Sobald ein Unternehmen auch in den eigenen vier Wänden Toleranz lebt, können diese Bestrebungen ohne schlechtes Gewissen oder Konfliktpotenzial mit der Followerschaft geteilt werden. Deshalb haben wir einige Social Media-Tipps, um die LGBTQIA+-Community auch in den elf weiteren Monaten des Jahres zu unterstützen:
- Keine situationsgetriebenen Pride-Posts, sondern Protagonisten regelmäßig einen Raum geben.
- Weiterbildungen anbieten, Stimmen hören und auf sie eingehen. Auf Social Media kommen viele Meinungen zusammen, die es wert sind, gehört zu werden.
- Bei großen Accounts eine Netiquette einführen: LGBTQIA+-feindliche Kommentare werden gelöscht oder mit einem Kommentar gestraft. Nur so kann der Account zu einem Safe Space werden.
- Unternehmen mit hohen Social Media-Reichweiten können die Accounts von thematisch passenden NGOs vorstellen – diese Organisationen freuen sich immer über neue Anhänger.
- Every Month is Pride Month! Social Media-Aktivitäten zum Support der LGBTQIA+-Community sollten sich nicht nur auf einen Monat im Jahr beschränken sondern einen festen Platz im Redaktionsplan finden.
Die Expertise einer Social Media Agentur kann helfen, um CSR-Themen bestmöglich auf Social Media zu platzieren.